Samstag, 13. Juli 2013

Ergriffen von Yangon

Wie sollen wir unsere Gefühle für diese Stadt beschreiben? Einst war Yangon (oder Rangun, wie es insbesondere im Deutschen immer noch oft genannt wird) eine blühende Prachtstadt des englischen Imperiums, an Glanz, Wohlstand und Strahlkraft Singapur und Hongkong in nichts nachstehend. Doch mit dem Militärputsch Mitte des letzten Jahrhunderts hat sich vieles verändert. Als wir am Abend unserer Ankunft unseren ersten Spaziergang in der Dämmerung durch Yangons Straßen machen, beschlich uns ein post-apokalyptisches Gefühl. Überall ist der einstige Glanz der vergangenen Tage noch vage zu sehen, schöne Wohnhäuser mit Fassaden, die voller kleiner Säulen und Balkone sind. Doch blättert an ihnen der Putz ab, grüne Schlieren ziehen sich die inzwischen ergrauten Wände herunter, Fenster sind kaputt. Die Platten der Gehsteige sind zersplittert, uneben oder fehlen ganz. Die Straßen voller Müll und alles nur spärlich beleuchtet. Es wirkte, als ob die Stadt bei einer Sturmflut versunken, das Wasser wieder abgelaufen, Häuser und Straßen aber niemals wieder saubergemacht worden wären. Es war erschreckend und faszinierend zugleich.  
Als wir ankommen, liegt Yangon im Dämmerlicht
Passend zur post-apokalyptischen Stimmung der Stadt sind hier unzählige Raben, die laut krähend über den Häusern kreisen, die Herren der Lüfte; Tauben gibt es wenig
Diese jungen Männer, bekleidet mit dem traditionellen Wickelrock, bestanden auf ein Gruppenfoto, als sie uns mit unserer Kamera antrafen
Yangons Altstadt mit der Sule-Pagode, dem Dreh- und Angelpunkt dieses Stadtteils
Alles voller Müll
Eigentlich begann unser erster Eindruck schon am Flughafen wenige Stunden zuvor, als wir das erste Mal erlebten, wie an einem Flughafen der Strom ausfällt. Wir warteten auf unsere Rucksäcke, als auf einmal alles finster wurde, das Gepäckband stillstand, bis wenig später die Notbeleuchtung anging. Auch im Taxi auf dem Weg in die Stadt war irgendetwas komisch, bis wir bemerkten, dass das Steuer des Taxis und aller anderen Autos und Busse auf der rechten Seite war und trotzdem auf der rechten Straßenseite gefahren wurde. Überholen wird da zum Abenteuer. Das Hotel, welches wir uns ausgesucht hatten, das „White House Hotel“, wirkte wie eine nicht fertiggestellte Baustelle, komplett verfließt und unser Zimmer im achten Stock ohne Fahrstuhl, winzig, muffig, mit blauer Bauplane statt Zimmerdecke und mit Ameisenstraße durchs Bett. Und dann folgte unser nächtlicher Spaziergang. Myanmar, das kann ja was werden, dachten wir uns etwas ängstlich, doch immer noch überwog die Neugier auf das Land.  

Unser muffiger Verschlag
Lukas schreibt fleißig Tagebuch nach dem "besten Frühstück der Welt"
Auch bei Tag ist Yangon schon noch ein bisschen gruselig
Früher hui, heute pfui
Lukas testet das Nationalbier
Unansehnliche Wohnhäuser in Yangon, ein häufiger Anblick
Dass im Time Magazine einige buddhistischen Mönche Myanmars heftig kritsiert werden, lässt die Bevölkerung nicht kalt
Der nächste Morgen bot ein etwas versöhnlicheres Bild. Die Straßen und kaputten Bürgersteige waren inzwischen voller Menschen, der Müll war verschwunden und stattdessen fanden sich überall kleine Essensstände, die frittierte Snacks, jede Art von Werkzeug und Haushaltsgerätschaften und Bücher anboten. Dazwischen tummelten sich die Birmanen mit ihrer auffallenden „Gesichtsbemalung“ gegen Sonne und für gute Haut, die aus Sandelholz und Wasser hergestellt wird. Touristen sind offensichtlich noch ein kleines Kuriosum, und so wird jede Langnase neugierig bestaunt und jedes Lächeln von uns mit einem freudigen Strahlen beantwortet. Ständig wurden wir angesprochen; das waren wir seit Monaten gewohnt, doch anders als in den anderen asiatischen Ländern wollte uns hier niemand etwas verkaufen – die Menschen waren einfach neugierig, wollten uns in Myanmar willkommen heißen, ihre Englischkenntnisse testen oder zeigen, was sie über Deutschland (nicht viel) oder europäischen Fußball (schon mehr) wissen. Noch nirgends auf unserer Reise wurde uns so viel Offenheit und Freundlichkeit entgegengebracht und wir so viel angestrahlt. 

Jugendliche spielen Chinlon, eine Art Fuß-Volleyball in den Straßen
Ein Birmane macht Pause am Unabhängigkeitsdenkmal. Im Hintergrund die Sule-Pagode
In den Straßen gibts allerlei Snacks zu erstehen
Die strahlende Swe Daw Myat Pagode etwas außerhalb der Stadt ist einen Ausflug wert
Im goldenen Inneren wird in dem Schrein im Zentrum die Replik eines Zahnes von Buddha verehrt
Bei unserem Tagesausflug mit Ella aus England sind wir ein echtes Kuriosum. Dieses Mädchen hält die Begegnung mit uns Langnasen stolz mit ihrem Handy fest
Fotografieren leicht gemacht: die meisten Birmanen finden es ziemlich cool, fotografiert zu werden
Bine wartet, bis der Regen vorrüber ist
Kein Tag ohne heftigen Regen
Glücklicherweise gibt es seit Januar die ersten internationalen Geldautomaten in Myanmar, was unsere Reise sehr vereinfachte. So konnten wir gleich am ersten Tag mit einer kleinen Erkundungstour in Myanmars ehemaliger Hauptstadt beginnen, doch der einsetzende Monsunregen steuerte Schritte nach kurzem geradewegs in eine der unzähligen Teestuben, die es in Myanmar an jeder Straßenecke gibt. Birmanischen Milchtee oder- kaffee gibt es dort und dazu so viel normalen Tee, wie man möchte. Außerdem kamen wir dort mit Birmanen ins Gespräch, die gerne ein wenig von Land und Leuten erzählen, geduldig mit uns Birmanisch übten und uns mit exotischen Früchten überhäufen, nur um sie uns zu zeigen.

Es regnet mal wieder, und so machen wir Pause in einer Teestube
Weil der Lehrer von einer Reise zurückkehrt, haben sich alle 700 Mönche des Klosters, welches wir zufällig gerade besuchen wollten, entlang der Einfahrt aufgestellt
Neben den 700 Mönchen leben auch 300 Nonnen hier, ebenfalls mit rasierten Köpfen, aber in rosa gkleidet. Auch sie erwarten die Rückkehr des Lehrers
Günstige Snacks und Tee am Straßenstand
Es regnet kaum, da verwandeln sich Teile der Stadt in kleine Seenlandschaften. So auch der Weg zum offiziellen Ticketbüro der birmanischen Eisenbahn
Bine im Glück: soeben hat sie in einer Galerie ein wahres Kunstwerk erstanden
Outdoor-Teestuben gibts auch
Yangons strahlendes Wahrzeichen ist die Shwedagon-Pagode. Seit Jahrhunderten Zeichen der Macht und des Reichtums Myanmars steht sie riesig, glänzend und prachtvoll im Zentrum dieser Stadt. 10 Tonnen Gold und an die 10.000 Diamanten, Rubine, Saphire und andere Edelsteine bedecken diesen Turm, was nicht ganz zur allgegenwärtigen Armut der Bevölkerung passen will. Imposant, doch irgendwie war sie am Ende für uns doch nur ein großer Stupa und die Überwältigung wollte nicht so recht einsetzen. Sehenswert ist sie aber dennoch.

Die alles überragende, strahlende Shwedagon in Yangons Dämmerung
Da ist er, der goldene Angeber
Prunk in einem der vielen Tempel um die Shwedagon
Bine züchtig im Longyi mit unserem Guide, der es sich nicht nehmen lässt, ihr Schatten zu spenden, ob sie will oder nicht
Alles in und um die Shwedagon ist entweder golden oder riesig. Oder beides. Auf jeden Fall aber prächtig.
Ein Buddhist wäscht die goldene Tigerfigur, üblich für all jene, die an einem Montag geboren wurden
Die Shwedagon-Pagode, so groß, dass sie nicht mal aufs Panorama passt
Was nicht mehr ganz so prunkvoll glänzt, wird sofort (auf Bambusgerüsten) erneuert - Geld gibts genug, weil jeder, der etwas auf sich hält und es sich leisten kann, hier spendet
Eine weitere interessante Erfahrung war unser Besuch im Kino. Nach langer Zeit wollten wir uns mal wieder einen Film in Kino anschauen, also kauften wir uns für etwa 2 Euro eine Karte für einen 3D-Film. Gezeigt wurde der neue Superman-Film, interessanterweise auf Englisch und ohne Untertitel. Das führte dazu, dass der rappelvolle Kinosaal bei jeder Action-Szene muxmäuschenstill war, doch jedes Mal, wenn ein etwas ruhigerer Dialog kam, wurde laut geschwatzt, gegessen und telefoniert. Dazu wurden permanent eine Art Kürbiskerne gegessen, dass der ganze Saal von einem Knistern erfüllt war, das einem Vogelschwarm auf einem Hirsefeld zur Ehre gereicht hätte. Kinobesuche in Myanmar sind halt eher soziale Ereignisse, um zu sehen und gesehen zu werden.

Alle Siebensachen sind gepackt und wir auf dem Weg zum Busbahnhof...
... der nicht nur schlammig, sondern auch riesig und fast ein eigener Stadtteil ist. Es geht weiter nach Bagan!


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